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Biografie

Umberto Eco wird 1932 in einem kleinbürgerlichen Umfeld in Alessandria, Italien, geboren. Biografisch entscheidend ist in diesen Jahren eine unvermeidliche faschistische Sozialisation, die beim jungen Italiener Kritik und Ablehnung provoziert. Mussolini, Krieg und Hunger, später die Resistenza, einsetzendes kommunistisches Gedankengut und Katholizismus sind gesellschaftliche Einflussfaktoren, die bereits beim Jungen und Jugendlichen politisches Bewusstsein und Engagement prägen. Literarische Interessen werden durch den Großvater väterlicherseits geweckt, der zwar bereits 1938 stirbt, jedoch als Buchdrucker und -binder dem Jungen die Faszination Buch mitteilt. Später entdeckt der 10-Jährige im Keller eine Bücherkiste, die Auslöser einer mehrjährigen Abenteuerlektüre ist.*

Musikalisches und theatrales Interesse lebt der 12-Jährige im Umfeld der Salesianermönche in Nizza Monferrato aus, wohin sich die Familie aus den Wirren des Kriegs zurückzieht. Nach Kriegsende schließt sich Eco als 14-Jähriger dem Jugendclub des Kapuzinerklosters in Alessandria an. Hier übernimmt er auch Verantwortung in der Leitung von Jugendgruppen, koordiniert später den Jugendbereich insgesamt und steigt weiter in der kirchlichen Hierarchie auf. 1950 nimmt Eco ein Studium der Philosophie und Literatur am Collegio Universitario von Turin auf. Neben Luigi Pareyson sind Augusto Guzzo, der das Interesse an Kant weckt, und Nicola Abbagnano, der als Vordenker eines italienischen Existentialismus eine philosophische Skepsis vermittelt, als akademische Lehrer prägend. Pareyson freilich prägt das Interesse Ecos an Problemen der Interpretation, also auch für grundlegend erkenntniskritische Fragen, die insbesondere seine semiotischen Publikationen bis heute bestimmen. 1954 erfolgt nicht nur der Bruch mit dem Katholizismus, Eco vollendet auch seine Promotion mit einer Doktorarbeit über Il problema estetico in San Tommaso d’Aquino. Mit der Ästhetik und dem Mittelalter sind hier bereits zwei entscheidend wichtige Themen des Autors Eco grundgelegt.

Nach dem Studium nimmt Eco 22-jährig eine Stellung beim Fernsehsender RAI an. Fünf Jahre lang studiert er nicht nur die Strukturen des Massenmediums in der Praxis, sondern knüpft auch zahlreiche Kontakte zu Intellektuellen und Künstlern. Neben Brecht, Strawinsky, Boulez und Stockhausen lernt Eco insbesondere Luciano Berio kennen, in dessen Zeitschrift Incontri musicali er Aufsätze publiziert, die 1962 in sein Buch Opera aperta (Das offene Kunstwerk) einfließen. Durch Berio lernt Eco Italo Calvino kennen, aber auch Roland Barthes und Roman Jacobson, wodurch sein Interesse an der Semiotik weiter gefördert wird. Das für die eigene Romanproduktion wichtige postmoderne Montageprinzip kennt Eco ebenfalls bereits von Berio; 1958 erproben beide und weitere Intellektuelle dies in dem Radio-Experiment Omaggio a Joyce.

Zwischen 1959 und 1975 arbeitet Eco beim Mailänder Verlagshaus Bompiani und lernt in dem Familienunternehmen alle Teilschritte der Buchproduktion und -vermarktung kennen. Gleichzeitig treibt er seine akademische Karriere voran und wird 1961 Privatdozent für Ästhetik an der Universität von Turin. Im Bunde mit zahlreichen bedeutenden Intellektuellen, Autoren und Künstlern wirkt Eco Anfang der 60er Jahre an dem "Gruppo 63" mit – eine neoavantgardistische Institution, die politische und Kulturkritik durch vielfältige Experimente und Provokationen äußert. Durchaus in Anlehnung an die deutsche "Gruppe 47" soll das kulturelle Establishment angegriffen und aufgerüttelt werden; dazu gründet die Gruppe Anfang 1967 die Zeitschrift Quindici, in der wichtige Artikel Ecos publiziert sind.

Nach langjähriger Tätigkeit als Lehrbeauftragter an unterschiedlichen Universitäten erhält Eco 1975 in Bologna die weltweit erste Lehrstuhl-Professur für Semiotik. Gleichzeitig ist er der Universität von San Marino verbunden, wo er Ende der 80er Jahre ein Centro Internazionale di Studi Semiotici einrichtet.

Vor dem Hintergrund seiner vielfältigen und langjährigen Kultur- und Medienarbeit hat Eco 1964 eine Theorie der Massenmedien und der Massenkultur entwickelt, die dem Postmoderne-Diktum Leslie Fiedlers, "cross the boarder, close the gap", Rechnung trägt und versucht, den Hiatus zwischen Unterhaltung und Bildung zu überwinden.

Eco lebt und arbeitet heute – überwiegend – in Bologna. Hier leitet er die Scuola Superiore di Studi Umanistici in der Via Marsala am Rande des Universitätsviertels und betreut Postdoktorandenprogramme. Über 30 Ehrendoktortitel, 17 Literaturpreise und sonstige Auszeichnungen seit 1981 sowie zahlreiche Gastprofessuren und Lectures weltweit sind Beleg für die internationale Anerkennung Ecos als Romancier und Semiotiker, dessen Bücher zum Teil in über 20 Sprachen übersetzt sind. Darüber hinaus ist Eco Intellektueller in einem typischen Sinne, also auch eine deutlich vernehmbare politische Stimme in der italienischen Öffentlichkeit, die insbesondere gegen die Verflechtung von Politik und Wirtschaft in der Regierung Berlusconi Stellung bezogen hat.

 

* Vgl. hierzu und auch zu den folgenden biografischen Details Thomas Stauder: Gespräche mit Umberto Eco. Münster 2004, S. 115 ff. – Genaue bibliografische Angaben zu dieser intellektuellen Biografie siehe die > PDF-Datei dieses Dokuments.